Vortrag und Diskussion mit Marcus Gräser.
Die Veranstaltung gehört zur IHSF-Wintersemesterreihe 2025/26 Demokratie.
In Österreich wie in Deutschland geht das große Momentum der Sozialdemokratie in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg einher mit einer großen Ausbauphase des Wohlfahrtsstaates, in der wichtige soziale Leistungen und soziale Rechte durchgesetzt werden konnten. Im Unterschied zur erhofften Sozialisierung der Produktionsmittel galt die Sozialpolitik aber lange als Notbehelf, als Angelegenheit der Gewerkschaften und war infolgedessen auch ‚theoretisch‘ eher uninteressant. Erst nach dem Scheitern der Sozialisierung und der Erfahrung der Kompromissarbeit im bestehenden Staat gelang es einer jüngeren Generation von Sozialdemokraten und bürgerlichen Sozialreformern eine kohärente Theorie der Sozialpolitik im Kapitalismus zu entwickeln, die – später angereichert durch die Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise, des Faschismus und des Exils – zu einer schlüssigen Deutung des Wohlfahrtsstaates als Innenausstattung der Demokratie geführt hat.
Marcus Gräser ist seit Oktober 2011 Institutsvorstand und Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der JKU Linz. Er forscht zu Problemen der zentraleuropäischen und nordamerikanischen Politik- und Gesellschaftsgeschichte. Jüngste Buchveröffentlichungen: Österreichische Zeitgeschichte – Zeitgeschichte in Österreich (hg. zus. mit Dirk Rupnow), Wien 2021; Geschichte Nordamerikas seit 1600, Frankfurt am Main 2022.