Nachdem mit dem Code Civil 1804 die »barbarische Vorstellung« ein Ende hatte, man müsse einander in der Ehe rechtlich geboten »die Geschlechtsteile zum Gebrauch überlassen«, wird ehelicher Sex unter dem Vorzeichen der »Zärtlichkeit« zum Gegenstand von Pädagogik, Anthropologie und Ästhetik.
Rousseau, Kant, Hegel huldigen der Sittlichkeit des »zarten Geschlechts«, das seiner unterstellten Natur nach schwach, schutzbedürftig, schamhaft und sanftmütig sei, keinesfalls aber sinnlich. Die Herren »Aufklärer« legitimieren mit ihren Ausführungen über zärtliche Weiblichkeit jene geschlechterspezifischen Rollen, die durch die Ausdifferenzierung von Familie, Ökonomie, Öffentlichkeit und Staat in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts immer rigidere Gestalt annehmen. Die für den Fortbestand und die Sittlichkeit des Staates so wesentliche Institution der Ehe durfte nicht einfach der launenhaften Natur der Geschlechtsneigung überlassen bleiben. Das Geschehen in den bürgerlichen Schlafzimmern wurde durch eindeutige Handlungsanweisungen »normalisiert«.
Spätere »Aufklärer« folgten dem Strategem der Zärtlichkeit. Sigmund Freud stößt sich an den Muskeln der Venus von Milo und am »eigenmächtigen Genuss« seiner Verlobten Martha Bernays. Er fordert den »zärtlichen Balsam« der Frau ein.
Erich Fromm feiert in den 1950er Jahren nicht die erotische Freizügigkeit, sondern wünscht sich ein Wiedererstarken der bürgerlichen Familie, in der die »spezifisch weibliche Zärtlichkeit« Befreiung von den allgegenwärtigen Imperativen der Konsumgesellschaft verspricht.
Für Herbert Marcuse steht die Zärtlichkeit der Frau für den Protest gegen die Sphäre der Produktion. Bis heute prägen Männerphantasien machtvoll das Bild der Frau und deren Begehren.
Der Text von Johannes Kleinbeck soll Anlass bieten, folgende Fragen zu diskutieren:
Der Link zum Buch: "Geschichte der Zärtlichkeit"
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